garachico mole

BESTof TENERIFFA

TIPPs und Geschichten, die in keinem Reiseführer stehen

Puerta sin Puerta in Garachico

Im alten Hafenbereich von Garachico stehen zwei sehr attraktive Objekte aus weißem Marmor und ich glaube, es gibt kaum einen Touristen, der hier kein Bildchen knipst – aber wer kennt die Geschichte dahinter?

Bis jetzt habe ich selten das Glück gehabt, die beiden steinernen Motive ohne Menschen fotografieren zu können, aber das ist kein Wunder, denn auch für andere Besucher von Garachico  ergeben sie ein tolles Motiv – mit dem zusätzlichen Geschenk, dass man sich zu Hause sogar den Bilderrahmen sparen kann.

Warum diese zwei Gebilde hier stehen, weiß so gut wie niemand, denn es gibt weit und breit kein Schild mit einer Erklärung dafür und in den Reiseführern wird Garachico meistens in einem Atemzug mit dem letzen Vulkanausbruch und dem Untergang des regen Hafenbetriebes in einem Atemzug genannt. Das war es dann schon. 

Dabei ist die Geschichte dieser Kunstwerke ziemlich interessant. Warum und wieso stehen diese Kunstwerke überhaupt dort? Hat sich darüber schon jemand Gedanken gemacht? 

Besonders typisch für diese Gegend sind sie ja nicht, einen traditionellen Hintergrund kann es also nicht geben. 

Genau so ist es auch und ursprünglich sollten die beiden Gebilde aus weißem Marmor nicht einmal in Garachico aufgestellt werden. Das kleine Städtchen war nur die zweite Wahl.

Vor vielen, vielen Jahren wurde von der Vereinigung der Architekten, la Comisión de Escultura del Colegio de Arquitectos de Santa Cruz, eine große, kulturelle Veranstaltung organisiert. Im Dezember des Jahres 1973 wurde La primera Exposición Internacional de Escultura en la Calle, die erste internationale Skulpturenausstellung in den Strassen von Santa Cruz, der heutigen Inselhauptstadt gezeigt. Laut alten Berichten soll es eine der besten Ausstellungen von abstrakter Kunst dieser Zeit gewesen sein. Wo die Kunstwerke in der Stadt ausgestellt werden sollten, wurde sowohl von den Künstlern persönlich aber auch von einem Architekten, einem Statiker und einer Baufirma vor Ort entschieden. Mit dieser Vorgehensweise wurden bei der ersten Ausstellung dieser Art über zweiundvierzig Plastiken in Parkanlagen, auf Plätzen und an Strassen von Santa Cruz aufgestellt. Da die meisten Kunstwerke lediglich Leihgaben der Künstler gewesen sind, wurden viele Werke nach einer gewissen Zeit wieder zurück gegeben und verschwanden aus dem Stadtbild.

Erst zwanzig Jahre später folgte eine zweite Ausstellung die im Jahr 1994 eröffnet wurde. Viele Besucher der Stadt waren von den ausgestellten Skulpturen ganz begeistert und wer heute mit offenen Augen durch Santa Cruz geht, kann noch viele dieser Werke entdecken. 1f609 So weit so gut, aber was hat diese Geschichte mit Garachico zu tun? Ganz einfach, die Skulptur von Kan Yasoda sollte ursprünglich in Santa Cruz ihren Platz bekommen.

Kan Yasuda ist ein Bildhauer, der 1945 auf der japanischen Insel Hokkaido geboren wurde und seit 1970 in der Toskana lebt und arbeitet. Ausgesucht wurden die Künstler von einer Kommission der Architekten in Santa Cruz und Carlos Schwartz, ein Mann an der Spitze, kannte Yasuda persönlich und lud ihn ein, bei der zweiten Kunstausstellung auf der Strasse teilzunehmen. Der japanische Künstler sagte zu und kam 1999 mit seiner Frau nach Teneriffa um den Standort für seine Skulptur aus Marmor auszuwählen. Er entschied sich für einen Platz an der Rambla de las Tinajas.

Die Zeit verging, die Inselregierung hat das Werk bezahlt, das Kunstwerk wurde fertig gestellt und auf die Insel geliefert. Als die wertvolle Fracht im Hafen von Santa Cruz angekommen war, entschied der Bürgermeister allerdings, dass das Kunstwerk unmöglich auf dem dafür vorgesehenen Platz aufgestellt werden könnte. So lagerte die Skulptur fein säuberlich verpackt fast ein Jahr in den Lagerräumen im Hafen und nichts geschah.

Es standen Wahlen vor der Tür und der Präsident der Insel befürchtete, dass sich die Bevölkerung darüber aufregen könnte, dass ein Kunstwerk, für das so viel Geld ausgegeben worden war, gerade jetzt aufgestellt werden sollte. Also blieb der verarbeitete Marmor aus Italien einfach in großen Kisten auf dem Hafengelände und wartete auf seine Enthüllung. Es musste eine Lösung gefunden werden, aber woher nehmen und nicht stehlen?

In seiner Verzweiflung wandte sich der Architekt an den Bildhauer, um mit ihm gemeinsam einen neuen Standort für das Werk zu finden. Doch das war gar nicht so einfach, doch in einem glücklichen Moment fiel dem guten Mann die alte Mole in Garachico ein.

Als Yasudo den Platz sah, soll er „das ist der beste Platz, den es für meine Arbeit geben kann“ gesagt haben. Der japanische Künstler und der kanarische Architekt waren also ganz begeistert. Die Verantwortlichen von Garachico sahen die ganze Aktion mit anderen Augen. Sie brachen in keine Begeisterungsstürme aus, aber immerhin hatten sie keine Einwände. Der erste Schritt war getan. Am Ende der Geschichte akzeptierten die Stadtväter die Entscheidung für diesen Standort und die Skulptur wurde, obwohl es durchaus Bedenken gab, im Jahr 2000 in Garachico aufgestellt.

Im Winter ist dieser Teil der Küste für sehr hohen Wellengang bekannt und was würde mit dem Kunstwerk bei einem richtigen Unwetter geschehen? Würde die Verankerung den Wassergewalten stand halten? Sogar die Möglichkeit eines Erdbebens wurde in Erwägung gezogen! Doch wie wir alle wissen, waren die Sorgen umsonst. Die beiden Mamorskulpturen stehen noch immer fest und sicher auf ihrem Platz und Kan Yasuda soll glücklich über diesen Standort nach Hause gefahren sein.

Der Marmor der beiden Bilderrahmen stammt aus der Toskana, genau gesagt aus Carrara, das für die sehr weißen Mamorvorkommen auf der ganzen Welt bekannt ist. Dieser weiße, geschmeidige Stein fügt sich nun ganz harmonisch ins alte Hafenviertel und setzt dort selbstbewusst, aber doch harmonisch, einen zeitlosen Punkt in die Landschaft. Endgültig und mit allen Ehren eingeweiht wurden die beiden minimalistischen Kunstwerke erst im Jahr 2002 und seitdem sind sie mit Sicherheit bereits viele tausende Mal auf Bildern festgehalten worden.

Der Künstler hat den beiden steinernen Gebilden den Namen Tensei Tenmoku gegeben. Die Bezeichnung soll soviel wie Puerta sin Puerta, also Tür ohne Tür heißen – was immer das auch bedeuten mag. Ich habe aber auch schon die Bezeichnung la Puerta sin Tierra, die Tür ohne Erde, gefunden. Vielleicht trifft diese Übersetzung eher zu, denn einer der beiden Rahmen berührt die Erde wirklich nicht direkt, er schwebt sozusagen ein paar Zentimeter über dem Boden. Man muss aber auch wissen, dass Kan Yasuda für die japanischen Titel seiner Arbeit nicht immer typische oder gar bezeichnende Worte wählt. Sie sind mehrdeutig und  machen deshalb die Übersetzung aus dem japanischen ziemlich schwierig. Aus diesem Grund gibt es mit Sicherheit mehrere, zutreffende Bezeichnungen für die beiden Skulpturen.

Die Werke von Kan Yasuda sind meistens aus weißem Carrara-Marmor, Bronze oder schwarzem Granit gearbeitet. Es sind einfache Formen in unterschiedlichen Größen aber immer irgendwo poliert. Seine Skulpturen spielen mit Sonne, Wolken, Regen und den Wellen des Meeres ihr Spiel – und Menschen beleben die Komposition fast wie von selbst. Seine Werke werden nicht nur bestaunt und betrachtet sondern auch berührt. Menschen geben sich damit einen Rahmen, sie gehen eine Verbindung mir der Vision des Künstlers ein. Ohne es zu bemerken. Das ist Kunst für den Alltag – einfach nur schön!

P.S.: Die beiden schwarzen Kunstwerke stehen in Rom und Japan … und ja, auch von uns gibt es ein Foto mit diesem schönen Bilderrahmen. So eine Gelegenheit darf man sich nicht entgehen lassen  auch wenn man des öfteren einige Zeit für die Möglichkeit dieses Foto knipsen zu können warten muss.

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